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Titelmotiv der 6. KunstFestSpiele: Von dem Wort "Norm" sind das R und das M mit orangener Farbe durchgestrichen © ROYA VISUAL IDEAS

Titelmotiv der 6. KunstFestSpiele Herrenhausen

Kunstfestspiele 2015

Motto

Die beste aller Welten: Hat Leibniz’ Beschwörung der Realität heute noch Bestand? Unsere Welt, die sich dem kompletten Einreißen aller Grenzen, der totalen Kommunikation und Vernetzung, der totalen Mobilität und der totalen Gleichzeitigkeit eines Hier-wieauch-dort-Seins verschrieben hat, sieht sich außerstande, Epidemien oder kriegerischen Ideologien, die wir längst überwunden glaubten, mit Überzeugungskraft zu begegnen.

In dieser spürbar unsicher gewordenen Welt führt die Sehnsucht nach Sicherheit immer mehr in ein angepasstes Verhalten, das der Bequemlichkeit frönt und damit jeden Gedanken an Freiheit, in der der Mensch sich noch als verantwortungsvoller Weltbürger dachte, unterläuft.

Was kann und was muss heute die Rolle des Ästhetischen sein? Eine Kunst, die uns ausschließlich der Beschwichtigung dient und uns damit der Verantwortung enthebt, wie Platon meinte, wäre kaum zu verantworten, weil sie bloß das Bestehende fixiert, ohne Entwicklung zuzulassen. Kann sie aber das Umgekehrte tun, Realität verändern? Ja, weil sie Fragen stellt, irritieren kann, uns neue Wahrnehmungen ermöglicht und uns das Staunen lehrt – der Beginn eines jeden neuen Gedankens und damit neuen Handelns. Kunst ist somit ein widerständiger Akt nach der lutherischen Art eines „Ich steh hier und ich kann nicht anders“, mit dem die Künstlerin oder der Künstler, koste es, was es wolle, sich sein persönliches Reich des Unangepassten und des Widerstands bewahrt.

Querdenkerinnen und Querdenker stehen im Zentrum der KunstFestSpiele Herrenhausen 2015. Vorbilder in autonomem und unangepasstem Denken. Rebellinnen und Rebellen gegen die Bequemlichkeit. Heldinnen und Helden des Ungehorsams. Heroinnen und Heroen des Eigensinns, die durch ihren Mut Aufmerksamkeit erzielten oder erzielen und hierbei die Kunst – mit ihr aber auch die Sicht auf unsere Welt – veränderten und verändern.

So präsentieren wir am Eröffnungswochenende Theatermacherinnen und Theatermacher aus China, das epochaler Veränderung unterworfen ist, sowie die eigenwilligen Musikinstrumente des Amerikaners Harry Partch mit eigenen und neuen Kompositionen. Wir spielen unbekannte Werke von Frank Zappa, der zur Kultfigur erhobene Rebell der Popszene, und erinnern an die Geräuschmusik der 1970er-Jahre. Sämtliche Projekte suchen Wege aus dem allzu Selbstverständlichen, prüfen ob das, was der Tradition entstammt auch wirklich erhaltenswert ist, wie mit „Tanz Boden Stücke“ von der Musicbanda Franui, oder was verloren ging oder gar missverstanden wurde wie Jan Lauwers Beschäftigung mit dem Islam in seinem neuen Stück „The Blind Poet“.

Ein anderer Schwerpunkt gilt den Tasteninstrumenten, gespielt von den herausragenden Solisten Cameron Carpenter, Laurence Cummings, Florian Hoelscher, Igor Levit: Schwarz in Weiß – „En blanc et noir“ – lautet die Headline, die wir einem berühmten Klavierzyklus Claude Debussys entnehmen.

Gegen den Strich zu denken beinhaltet also immer auch, der Vielfalt und der Unterschiedlichkeit Raum und Freiheit zu geben und diese zu respektieren lernen, und somit Verantwortung zu übernehmen für sich, den anderen und die Gesellschaft, jenseits des eigenen kleinen Vorgartens.

Das kann Kunst. Das bietet Kunst. Begleiten Sie uns. Lassen Sie sich erstaunen, irritieren, aufrühren, berühren. Wir freuen uns auf Ihren Besuch.

ELISABETH SCHWEEGER UND TEAM